F. P. Kelm

Portrait des Autors, Gouache 1996, 12 x 16 cm Malerei hat noch nie etwas mit der realistischen oder naturalistischen Abbildung von vorhandenen Dingen zu tun gehabt. Kein Höhlenmaler, kein Renaissance-Künstler, kein russischer Konstruktivist hat sich jemals darum gekümmert, die Dinge zu zeigen, »so wie sie sind«. Abstraktion ist dem Denken, der Kunst immanent.
    Ein Spiel, lustig und fröhlich bei allem Ernst. Ich mache einen geraden Strich, gerade und präzise. Du malst eine Kurve, ein bißchen zitterig. Ich nehme Blau, du nimmst Gelb oder Rot. Aha, mein schwarzer Strich biegt, krümmt sich. Deine Kurve wird plötzlich blau. Im Hintergrund lauert ein Rot. Oder ist da noch etwas anderes? Ein Klang? Ein Leuchten? Da, am Rand.
    F. P. Kelm erzählt in jedem seiner Bilder eine Geschichte, die Geschichte der Herstellung dieses Bildes. Brücken, Fenster, Türen mögen sich erahnen lassen, besser gesagt Durchgänge, Verbindungen. Nur, daß diese Geschichten offen sind, keinen Anfang und kein Ende haben. Die Art und Weise von Begegnungen ist der Gegenstand dieser Geschichten. Vorgestern sagte Blau zu Rot, gestern mußte Grün einen Kommentar dazu abgeben, heute spricht Gelb. Und diese verschiedenen Stufen der Nuancierung sind sichtbar. Gestern mochte ich deine Form, heute gefällt mir eher deine Farbe, wer weiß, morgen mag ich dich vielleicht gar nicht mehr, beziehungsweise, all dieses zusammen, das hält mich an dir fest.
    Harmonie, Ausgewogenheit mag auf den ersten Blick vorherrschend sein. Geht die Betrachtung aber in die Tiefe, wird klar, daß diese Ausgewogenheit auf Auseinandersetzungen beruht. Kelm malt Beziehungen, in ihrer oberflächlichen Schönheit und in ihrer hintergründigen Zerissenheit, die Lebendigkeit nicht nur verspricht, sondern zeigt.

[R. Voullié: Text im Austellungskatalog »Ölbilder und Gouachen«, Niedersächsisches Kultusministerium, Hannover 1998]

No Name 1, Ölbild 1995, 120 x 100 cm
No Name 5, Ölbild 1994, 90 x 75 cm
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